Medusa (2021) - Review - 100 Years of Terror (2024)

Mit Medusa kreierte die Brasilianerin Anita Rocha da Silveira einen Coming-of-Age-Horror, der sich an reaktionären religiösen Strömungen in ihrem Heimatland abarbeitet. Am 23. Juni erscheint der Film fürs Heimkino. Wir hatten die Gelegenheit ihn vorab für euch zu begutachten.

Originaltitel:Medusa
Land:Brasilien
Laufzeit:132 Minuten
Regie:Anita Rocha da Silveira
Drehbuch:Anita Rocha da Silveira
Cast:Mari Oliveira, Lara Tremouroux, Joana Medeiros u.a.
VÖ:Ab 23.06.2023 auf Blu-ray und DVD

Hintergründe & Inhalt

Mariana (Mari Oliveira) und ihre Freundinnen gehören einer fanatischen christlichen Kirche an. Die jungen Frauen begnügen sich jedoch nicht damit, devot ihrer zugeschriebenen Rolle gerecht zu werden, sondern ziehen nächtens durch die Straßen, um Frauen zu bestrafen, die ihrer Ansicht nach einen zu freizügigen Lebensstil führen. Doch als Mariana bei einem ihrer Streifzüge im Gesicht verletzt wird und fortan eine Narbe ihr perfektes Antlitz stört, wird sie zunehmend ausgegrenzt. Als sie auch noch ihren Job in einer Schönheitsklinik verliert, beginnt sie ihr Leben zu überdenken …

Kritik

Der zweite Spielfilm von Regisseurin und Drehbuchautorin Anita Rocha da Silveira dreht sich um fundamentalistische christliche Gemeinschaften in Brasilien und es ist gerade zu Beginn schwer auszumachen, ob wir es mit einer Dystopie zu tun haben oder nicht. Insbesondere da Silveira zunächst bemüht ist, uns nur einzelne Fragmente zur Verfügung zu stellen, aus denen wir selbst versuchen müssen, ein kohärentes Bild zu basteln. Es bleibt also zunächst unklar, ob sich Brasilien zu einem repressiven Gottesstaat gewandelt hat oder wir es nur mit einer extremistischen Sekte zu tun haben. Die expressive Inszenierung mit den grell ausgeleuchteten Settings entführt uns jedenfalls in eine andere Welt.

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Inspiriert wurde der Streifen zugleich von einer anderen Welt, und zwar von der griechischen Mythologie, woher der Film seinen Titel bekam. Laut den griechischen Sagen war Medusa eine atemberaubende Schönheit. Doch als Athene, die Bewahrerin von jungfräulicher Reinheit, Poseidon dabei erwischte, wie er Medusa vergewaltigte, war sie so erzürnt darüber, dass sie Medusa in ein Monster mit Schlangenhaaren verwandelte und sie später von Perseus enthaupten ließ. Und eben als genau solche Bewahrerinnen sehen sich auch Mariana und ihre Freundinnen, die ihre Stadt vor der Sünde reinigen müssen. Die Geschichte der Medusa wurde gerade in den letzten Jahren vermehrt aus feministischer Sicht aufgegriffen und in diesen Zeitgeist passt auch Silveiras emanzipatorischer Coming-of-Age-Horror, der sich eben genau damit beschäftigt, wie Frauen als Handlangerinnen des Patriarchats andere Frauen unterdrücken oder gar entstellen. Es ist nur etwas schade, dass Medusa hier so wenig auf die gesamte Gruppendynamik eingeht.

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Allgemein bleibt die Darstellung der christlichen Gemeinschaft eher oberflächlich, was dem World Building leider nicht zuträglich ist. Wir bekommen ein paar in Neonfarben ausgeleuchtete Messen präsentiert, in denen ein marktschreierischer Hassprediger auf die Sünden der Welt aufmerksam macht, und zwischendurch darf eben jene Frauenclique verstörende religiöse Linder singen. Daneben gibt es noch eine paramilitärische Einheit aus jungen Männern, die man zwischendurch bei diversen martialischen Choreografien beobachten darf, die jedoch wenig furchteinflößend wirken. Woher die jungen Menschen kommen, bleibt völlig im Dunkeln, Beziehungen zu Erziehungsberechtigten sind quasi nicht vorhanden und die Motivationen sind ebenfalls völlig unklar. Gerade bei den jungen Frauen wäre es nicht uninteressant zu wissen, aus welchen Gründen sie in einer zutiefst misogynen Gemeinschaft verbleiben.
Dramaturgisch wirft dies leider im Laufe des Films einige Probleme auf, da einfach zu unklar ist, wovon sich die Protagonistinnen jetzt wirklich befreien sollen. Für mich entstand leider nie das Gefühl, dass es für die Frauen um viel gehen würde. Zudem hat der Streifen leider auch zum Teil mit Pacing-Problemen zu kämpfen.

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Punkten kann Medusa dafür zum einen bei der Darstellung der zwei Hauptfiguren, Mariana und der Anführerin der Clique Michele (Lara Tremouroux). Hier gelingt es Silveira, die Dynamik zwischen beiden schön einzufangen und gerade bei Michele wird mit wenigen Andeutungen das Bild eines faszinierenden Charakters skizziert. Man spürt sofort, dass zu ihr ursprünglich eine weitaus umfangreichere Geschichte ausgearbeitet wurde, die es schlussendlich aber nicht in den Film geschafft hat, aber allein, dass diese vorhanden ist, gibt der Figur wesentlich mehr Authentizität.
Zum anderen kann der Film mit seinem Look glänzen. Wie schon zuvor erwähnt, wenden sich die Regisseurin und Kameramann João Atala visuell der Phantastik zu und gerade die expressive Farbdramaturgie ist offensichtlich vom italienischen Horrorkino eines Mario Bava oder Dario Argento inspiriert. Dazu kommen immer wieder absolut bezaubernde Bildkompositionen, die bedeutungsschwanger den Inhalt unterstreichen.

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Fazit

Medusa ist unterm Strich ein spannender Genre-Beitrag, der nicht nur von der griechischen Mythologie inspiriert wurde, sondern vor allem auch von konservativen bis religiös-fundamentalistischen Bewegungen in Brasilien – so bekommen wir weniger eine Dystopie geboten als ein Sittenbild des südamerikanischen Landes. Dramaturgisch kommt der Film zwar immer wieder etwas ins Stolpern und verheddert sich in halbgaren Schnitzeljagden, doch das Hauptdarstellerinnen-Duo und die ausdrucksstarke Inszenierung machen Anita Rocha da Silveiras Werk zu einem überaus sehenswerten Beitrag zum Coming-of-Age-Horror, der sich insbesondere mit seinem regionalen Kontext von den Genrekollegen abheben kann.

Bewertung

Grauen
SpannungMedusa (2021) - Review - 100 Years of Terror (6)
HärteMedusa (2021) - Review - 100 Years of Terror (7)
Unterhaltung
AnspruchMedusa (2021) - Review - 100 Years of Terror (9)
GesamtwertungMedusa (2021) - Review - 100 Years of Terror (10)

Ab 23.06.2023 im Handel:

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Bildquelle: Medusa © Donau Film

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